KÖNIGSBERG (Stationen und Inspiration)

KÖNIGSBERG

Nach dem Misserfolg in Magdeburg ist Wagner hochverschuldet.  Als Komponist und musikalischer Direktor der Truppe hat er sich bei deren letztem Rettungsversuch auch persönlich verschuldet. Um eine neue Arbeitsstelle zu finden, reist er im Mai 1836 zum ersten Mal nach Berlin und hofft, in der Nähe von Berlin zum Kapellmeister des Theaters der Stadt Königsberg berufen zu werden und dort Das Liebesverbot aufführen zu können. Es kommt zu längeren Verhandlungen, obwohl der Regisseur Anton Jolie dem Komponisten versprochen hat, dass er die Spielzeit 1836-37 leiten könne. In seinen Aufzeichnungen des Sommers 1836 notiert Wagner eine „ungewisse Situation“.

MVRW-Ouverture-Rule-Britannia-219x300Mit der Karriere von Minna, der Verlobten von Wagner, geht es in Königsberg jedoch sehr zügig voran. So gelingt es der jungen Schauspielerin in der Tat wesentlich schneller als Wagner, zu einem Vertrag mit dem Theater der Stadt zu kommen. Wagner, der immer noch auf seine offizielle Ernennung wartet, folgt seiner Verlobten nach Königsberg. Am 24. November 1836 heiratet er sie schließlich in der Kirche von Tragheim und beginnt dann mit dem Komponieren einer Ouvertüre über Rule Britannia. Der Posten, den man Wagner versprochen hat, ist nämlich nicht so frei, wie Wagner denkt. Bei seiner Ankunft in Königsberg muss er feststellen, dass das Orchester bereits von einem gewissen Louis Schubert geleitet wird. Zwar nur provisorisch, aber immerhin. Schubert wartet nämlich auf die Wiedereröffnung des Theaters in Riga, welches er leitet und das vorübergehend geschlossen ist. Leider zieht sich dieses „Provisorium“ jedoch hin:„Diese Wiedereröffnung des Rigaschen Theaters, welches schon zu Ostern dieses Jahr hatte stattfinden sollen, verzögerte sich, und es lag ihm nun daran, Königsberg nicht zu verlassen.”(Mein Leben) Um diese Wartezeit zu überbrücken, nimmt Wagner einen Posten als stellvertretender Orchesterchef an.

MVRW KOENIGSBERG StadttheaterZum Musikdirektor am Königsberger Theater wird Wagner endlich am 1. April 1837 ernannt. Königsberg wird für den jungen Komponisten und Theaterdirektor jedoch bald ein noch größerer Misserfolg als Magdeburg. Bereits als er für den langersehnten Posten nominiert wird, scheint die Pleite des Königsberger Theaters unvermeidbar. Obwohl sich Wagner sehr bemüht, Theater und Truppe zu retten – „ich (…) [bewies]meine größte Energie, durch ratlosen Rat und eifrige Tat das beschädigte Schiff des Theaters, dem ich jetzt erst nahetreten durfte, flott zu erhalten.” (Mein Leben) – wird ihm von Direktor Hübsch mitgeteilt, „daß er auf den Punkt gelangt sei, das Theater schließen zu müssen.“(Mein Leben)

MVRW KOENIGSBERG Stasttheater salle interieurWährend sich wieder eine Truppe in alle Winde zerstreut, sieht sich Wagner in Bälde wieder mit Gläubigern konfrontiert, anstatt mit einer neuen Anstellung für seinen Unterhalt aufkommen und seine bisherigen Schulden abbezahlen zu können.

Wagner gibt selbst zu, dass das Jahr in Königsberg umsonst gewesen sei. Ein Jahr, das er damit verloren hat, zu hoffen und in dem sein künstlerisches Schaffen so sehr durch seine persönlichen und finanziellen Probleme in Mitleidenschaft gezogen wird, dass er lediglich das Singspiel Die lustige Bärenfamilie kreiert, zu welchem ihm die Märchen aus tausendundeiner Nacht anregen und das er in Königsberg beginnt und in Riga zu Ende schreibt. Aufgeführt wird es jedoch nie.

MVRW-Heureuse-famille-des-Ours-300x110Privat machen Wagner sowohl die Finanzen als auch die Launen seiner Gattin Minna zu schaffen, welche dem ehelichen Domizil mit einem reichen Kaufmann namens Dietrich entflieht. Materielle Sicherheit, vielleicht auch Liebe sind stärker als ihr wenig vom Glück bescherter Gatte, der sich immer noch nach Anerkennung und Ruhm sehnt.

MVRW-HOLTEI-Karl-vonIn der Hoffnung, anderswo zu Geld zu kommen und so auch seine Ehe retten zu können, verlässt Wagner Königsberg. Um Minna zurückzugewinnen, fährt er zunächst nach Dresden sowie anschließend nach Berlin, um sich den heißbegehrten Posten als Musikdirektor des Theaters in Riga zu sichern. Sich in Riga niederzulassen, wo es zur damaligen Zeit eine recht große deutsche Gemeinde gibt, bietet Wagner auch die Gelegenheit, seinen Gläubigern in Ostpreußen, Magdeburg und Königsberg zu entkommen. Laut dem seiner Illusionen beraubten Wagner, welcher vor Ungeduld brennt, dauern die dafür nötigen Gespräche und Fürsprachen jedoch… eine Ewigkeit.

Am 15. Juni 1837 kommt es für Wagner endlich mit Karl von Holtei,„einem Manne von gewissem theatralischen Ruf“ (Mein Leben) und Direktor des Theaters in Riga, zur Unterzeichnung.

Bis er seine Stelle antreten kann, zieht Wagner vorübergehend bei seinen Eltern in Dresden ein, wo er auf den Roman Cola di Rienzi von Bulwer-Lytton stößt. Sofort erkennt der Komponist darin die Möglichkeit für ein neues Opernprojekt, eine Oper nach dem Geschmack der Zeit, „un Grand Opéra à la Française“. Das in Italien spielende Werk des englischen Romanciers eignet sich in der Tat für Märsche, Bravourarien sowie diverse Effekte. Ende Juli 1837 verfasst Wagner das Szenario für den am 20. Oktober 1842 in Dresden uraufgeführten Rienzi.

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Was jedoch zunächst wichtig ist, ist die Flucht. Eine Flucht vor den Gläubigern und ohne Minna, die den verzweifelten Ruf ihres Mannes nicht hört. Eine Flucht für neue private und berufliche Perspektiven. Wagner verlässt Dresden am 25. Juli 1837. Er fährt zunächst nach Berlin sowie Schwerin und dann nach Lübeck. Seine erste Reise über das Meer führt den Komponisten anschließend an die nächste Station seiner Karriere: Riga.

NC

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